Der deutsche
Michel
Der
deutsche Michel spielt eine vergleichbare Rolle in der politischen
Karikatur wie der britische John Bull, der amerikanische Onkel Sam und
zum Teil auch wie die französische Marianne: er ist eine nationale
Personifizierung, ein visuelles Symbol. Mehr als seine
"Partner" spiegelt er die eigenen Vorstellungen der Deutschen
über ihren Charakter wider.
Zum erstenmal taucht die Bezeichnung
"deutscher Michel" 1541 auf.
Im
Unterschied zu anderen, meist kämpferischen Nationalsymbolen, zeigt
sich der Michel als friedliebender, träumerischer Biedermann. Das Bild
des Deutschen im Ausland ist eher durch negative Stereotypen
gekennzeichnet.
Der deutsche Michel ist ein ungewöhnliches
Wesen. Im 16. Jahrhundert ist
er das Symbol des einfachen, ungebildeten Bauern. Im 17. Jahrhundert
wird er als Mensch, der nur seine Muttersprache kennt, zum Symbol des
Kampfes gegen das Fremde und die höfische Kultur. Der deutsche Michel
steht im Vormärz für den apolitischen Philister und während der
Revolution 1848 für das um seine Rechte kämpfende Volk sowie für die
Einheit Deutschlands. Nach dem Scheitern der Revolution ist er Symbol für
die Opfer reaktionärer Politik.
Vor
dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird Michel z.B. in der
sozialdemokratischen Presse symbolisch als das von der Regierung
geknechtete Volk gezeigt.
Derselbe
Michel wandelt sich im August 1914 für die gleichen Sozialdemokraten
zum Symbol der nationalen Einigkeit und des patriotischen Aufbegehrens.
1919 wird Michel in der Karikatur zum unschuldigen Opfer der Siegermächte
stilisiert, die per Faustrecht den ungerechten Versailler Vertrag
diktieren. Bald darauf nehmen ihn die Nationalsozialisten für sich in
Anspruch, um ihn dann aus ihrer politischen Propaganda zu verbannen.
Rasch
nach dem Krieg lebt der deutsche Michel in den Zeichnungen der
Karikaturisten wieder auf und begleitet die deutsche Geschichte bis
heute. Die Zeichnungen des Männchens mit der Zipfelmütze zeugen nicht
nur von der Brauchbarkeit dieses Symbols, sondern auch von dem Bedürfnis
nach eben dieser und keiner anderen nationalen Personifizierung: dem
Bild des etwas tumben Männchens mit der Zipfelmütze.
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