Marianne  und Michel

2000 Jahre deutsch - französische Nachbarschaft

Texte zur Ausstellung im Rahmen der Partnerschaftsfeier Buis-les-Baronnies - Gomadingen
am 3.6.2000

Marianne und Michel

Marianne, Sinnbild der Republik

Dies ist unbestritten die volkstümlichste der französischen Frauen! Doch wer ist sie, wie hat sie sich in das Bewusstsein gedrängt?

Ihre Büste thront heute auf dem besten Platz in allen Rathäusern von Frankreich. Man ignoriert nur ihr Gesicht, ihre Attribute versinnbildlichen die Republik, den Patriotismus und die Freiheit: zumal ihre Erscheinung mit die Geschichte des Landes intim verbunden ist.

Wenn Freiheit sich mit Weiblichkeit reimt

Als die französische Revolution 1789 explodierte, wurde der Kult der Freiheit mit Begeisterung aufgenommen. Die symbolische Darstellung dieses Elans beruft sich auf ein antikes Frauenbild, eine griechisch-römische Tradition, beinhaltet aber auch einen Hinweis auf römische Sklaven, die 1789 symbolisch in die Freiheit zurückgeholt werden.

Im gleichen Jahr erscheint der Ausdruck Marianne zum ersten Mal im Namen der Republik oder des revolutionären Frankreichs. In dieser Zeit ist Marie-Anne ein sehr populärer Vorname. Er passt gut zu der Idee einer vom Volk getragenen Revolution. Seither wird die Marianne durch die Frau mit der Kappe symbolisiert.

Drei Vierteljahrhunderte in Opposition

Zwischen 1800 und 1870 ist die politische Situation in Frankreich instabil, und die Regimes folgen rasch aufeinander. Unter der Restauration, der Juli-Monarchie, wird Marianne eine Opponentin. Doch unter der zweiten Republik (1848-1852) ersetzt sie die Embleme und königliche Bilder von neuem. Konservative und revolutionäre Republikaner zeigen sie in unterschiedlicher Darstellung. So gibt ihr die konservative Republik eine feierliche Haltung auf. Die Republikaner zeigen eine Frau in Bewegung, jugendlich, glühend und entschieden,  eine rote Mütze tragend. Das zweite Reich (1852-1870) verbannt noch einmal Marianne in den Schatten.

Der Triumph von Marianne

Mit der 3. Republik setzt eine starke Marianne die Tradition fort. Die Büsten finden also ihren Eingang in die Rathäusern, wo sie mit dreifarbigen Fahne wie an die republikanische Devise verbunden werden. Für das nächste Jahrtausend wird Marianne ein neues Gesicht haben. Die 36000 Bürgermeister von Frankreich haben Laetitia Casta zur Marianne des Jahres 2000 gewählt.

 

 

Stationen: 

22 September 1792: Proklamation der Republik. Die Darstellung der Frau mit der phrygischen Kappe versinnbildlicht die Republik und die Freiheit.

1. Januar 1849: Mit der postalischen Reform wird eine Briefmarke mit dem Bild der Marianne herausgegeben

1870 an 1940: Mehr als 440 Denkmäler zum Ruhm der Republik werden in ganz Frankreich aufgestellt.

1871 an 1879: Die Republik der Herzöge imponiert mit Modellen von Marianne mit einer aus Pflanzen zusammengesetzten Krone und überstrahlt von einem fünfzackigen Stern.

1880: Von diesem Datum an beschließt das Bild von Marianne die Feuerwerke des 14. Juli.

1891: Die Zeitung "Le Petit Journal" veröffentlicht die offizielle Büste der Republik in. Sie wird von 164 Abgeordneten angenommen als "die Figur, die dieRepublik am besten versinnbildlicht".

1969: Brigitte Bardot präsentiert ihre Büste für die Republik.

1978: Mireille Mathieu wird Marianne.

1985: Catherine Deneuve stellt die Marianne dar.

23 November 1999: öffentliche Vorstellung der Marianne des Jahres 2000, anläßlich der Eröffnung des 82. Kongresses der französischen Bürgermeister.

 

Hamburger Morgenpost Online vom 09.10.1999

"Marianne 2000"

Laetitia: Eine Frau spaltet Frankreich

Paris - Über Geschmack lässt sich nicht streiten, heißt es. Manchmal aber doch. Und zwar dann, wenn es um den Frauen-Geschmack der 36.778 Bürgermeister Frankreichs geht.

Supermodel Laetitia Casta "oben ohne": Diese Aussicht hatte die - zu 95 Prozent männlichen - Gemeindevorsteher offenbar sehr angefeuert. Denn sie haben Casta zur "Marianne 2000" gewählt.

Das Gemälde von Eugen Delacroix kennt wohl jeder: Eine barbusige Frau mit einer Fahne in der Hand führt die wogenden Massen in die Schlacht. "Marianne" wurde damit zur Symbolfigur der Französischen Revolution und französischer Frauen-Power. Erstes lebendes Vorbild der Marianne-Büste war 1969 Brigitte Bardot.

Warum dann der Widerstand gegen die üppige Korsin? "Die Auswahl der Kandidatin spiegelt die geheimsten Wünsche der Männer wider", wettert die ehemalige Pariser Frauenbeauftragte Yvette Roudy.

Dass die Welt sich geändert hat, haben sie noch nicht gemerkt. "Es gibt Frauen aus Literatur, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien, die geeigneter gewesen wären", schimpfte die Frauenzeitschrift "Elle".