Mittelhochdeutscher Text:
Ich
sâz ûf eime steine
und
dahte 1) bein mit beine:
dar ûf satzt ich den ellenbogen.
ich hete in mîne hant gesmogen 2)
daz kinne und ein mîn wange 3)
dô dâhte ich mir vil ange 4)
wie man zer werlte solte leben.
deheinen rât kond ich gegeben,
wie man driu dinc erwurbe, 10
der keinez niht verdurbe 5).
die zwei sint êre und varnde guot,
daz 6) dicke einander schaden tuot:
daz dritte ist gotes hulde,
der zweier übergulde 7).
die wolte ich gern in einen schrîn 8).
jâ leider desn mac niht gesîn,
daz guot und weltlich êre
und gotes hulde mêre 9)
zesamene in ein herze komen. 20
stîge unde wege sint in benomen:
untriuwe ist in der sâze 10),
gewalt vert ûf der strâze,
fride und reht sint sêre wunt. 24
diu driu enhabent geleites niht 11),
die zwei enwerden ê gesunt.
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Neuhochdeutsche Übersetzung:
Ich
saß auf einem Stein,
und
schlug ein Bein über das andere.
Darauf stützte ich den Ellenbogen.
Ich hatte in meine Hand geschmiegt
das Kinn und meine eine Wange.
So erwog ich in aller Eindringlichkeit,
wie man auf dieser Welt zu leben habe.
Keinen Rat wusste ich zu geben,
wie man drei Dinge erwerben könne,
ohne dass eines von ihnen verlorenginge.
Zwei von ihnen sind Ehre und Besitz,
die einander oft Abbruch tun;
das dritte ist die Gnade Gottes,
weit höher geltend als die beiden andern.
Die wünschte ich in ein Gefäß zu tun.
Aber zu unserem Leid kann das nicht sein,
dass Besitz und Ehre in der Welt
und dazu Gottes Gnade
zusammen in ein Herz kommen.
Weg und Steg sind ihnen verbaut,
Verrat lauert im Hinterhalt,
Gewalttat zieht auf der Straße,
Friede und Recht sind todwund:
bevor diese beiden nicht gesunden,
haben die drei keine Sicherheit.
(Übersetzung
von Peter Wapnewski,
Fischer-Bücherei 732, 125)
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